Die Handschuhe
Es fällt mir nichts mehr ein, nur ein paar Handschuhe sehe ich, die liegen müde am Tischrande. Deutlich sehe ich, wie sie müde und traurig sind, die Handschuhe. So edel sehen sie aus. Passen sie denn wirklich niemanden, daß sie hier so herunterhängen müssen wie Herbstlaub? Sie sind gelb und mit dunkelbraunen Pelz besetzt. Lang und schmal sind sie. Wie arm sind Handschuhe, die nicht an einer schönen Hand angeschmiegt leben dürfen. Da kommt nun so ein kleines Mädchen, ein Kind, das will sie probieren, aber sie passen nicht: Händchen zu kurz, Fingerchen noch zu wenig lang. Da kommt nun so eine robuste Dame, aber ihre Hand ist viel zu fett, ihre Finger sind viel zu groß. Eine Schauspielerin kommt und probiert, aber es will nicht passen. Zu viel Gesundheit: die Hand recht in der Schmäle, aber zu üppig sonst. Die Handschuhe krachen in der Nähten. Da kommt eine große, schöne, leidende Dame, der passen sie. Lange Hand, schmale Hand, leidende, dünne Hand, dir passen die Handschuhe! Glückliche, überglückliche Handschuhe und: arme, liebe, unglückliche Dame.
Robert Walser, Bedenkliche Geschichten : Prosa aus der Berliner Zeit : 1906-1912, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 1985
(per l'incontro Oggetti che non funzionano, Casa delle Parole, Venezia, 13 marzo 2012)
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